Friede sei mit euch, bis Morgens um acht

Berlin ist zwar meine Wahlheimat, aber trotzdem manchmal nervig. Überall stinkts nach Döner, es ist dreckig und einer muss immer schreien oder hupen. Meistens ich. Oft schliesse ich das Fenster, um nichts von der Stadt mitzubekommen. Und brauche ich mal wirklich eine Pause, geh ich ins Malbun. 

Dort ist alles anders. Es stinkt höchstens mal nach Gülle und es ist so sauber, dass ich mir überlege, meine schmutzigen Schuhe auszuziehen, bevor ich über die Strasse geh. Das schönste aber: es ist ruhig. Man hört nichts als Kuhglocken, das Bächlein und ab und zu Vogelgezwitschere.

Ausser Morgens um acht Uhr. Da geht das Kirchenglockengeläut los. Für Leute aus dem Dorf wahrscheinlich kaum noch wahrnehmbar – wie der Dj Ötzi Partymix oder Traktorengeräusche. Einer Gottlosen wie mir drängen sich aber mit jedem Ding Dang Dong ein paar Fragen auf. 

Ich habe Verständnis für alle, die an Gott glauben, auch wenn ich mich selbst in Lebensfragen lieber an Alexa wende. Doch Gotts Bodenpersonal lässt sehr zu wünschen übrig. Ist die Weltanschauung der Kirche nicht mindestens so verstaubt, wie ihre leeren Bänke? Und wieviele Rosenkränze muss man beten, um Vergebung für die Kirchenskandale der letzten Jahrzehnte zu erlangen? 

Je mehr Licht man in die Geschichte der Kirche bringt, desto dunkler wird es. Und so drängt sich mir die Frage auf, wieviele wahrhaftig gläubige Liechtensteiner es noch gibt, oder ob es sich bei ihnen vielmehr um die „Wir taufen unser Kind, denn das macht man halt so“ Christen handelt.

Aber ich will meine Ansicht hier nicht höher in den sakralen Himmel preisen, als sie es verdient. Eigentlich will ich ja nur ausschlafen. Deswegen mein Vorschlag: Das Glockengeläut wird über Spotify an die Kopfhörer der Gläubigen gestreamt und alle anderen dürfen weiterschlafen. Wer gibt mir dafür seinen Segen?

Erschienen in der LIEWO am 6.11.2022

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