Schwanger sein ist das ultimative Glück, wird einem oft suggeriert. Ich war allerdings nie eine dieser Schwangeren, die sich mit ihren Händen beseelt über den Bauch streicheln und dabei so strahlen, dass die Sonne Minderwertigkeitskomplexe bekommt. Die meiste Zeit war ich damit beschäftigt, meinen Mageninhalt zu kontrollieren – meist erfolglos. Die Gerüche dieser Stadt machten mich fertig. Wenn ich einen Dönerimbiss passierte – also so gut wie immer – musste ich die Luft anhalten. Zu mir hat auch nie jemand gesagt: du bist so schön! Das lag vielleicht daran, dass ich es nicht war.
Zum Glück gab es aber in meinen drei Schwangerschaften aber auch Zeiten, in denen ich mich gut gefühlt habe. Das war meistens am Nachmittag des letzten Tages der Woche 29 der Fall. Doch dann kam Woche 30 und somit der Endspurt. Ich sah aus wie eine schottische Mutterkuh, die zu viel Gras gefressen hat. Wenn ich mal auf dem Sofa sass, brauchte es einen Hausbrand, um mich zum Aufstehen zu bringen. Zudem hatte ich bei jedem Niesen das Gefühl, zu gebären.
Als mich eines Tages die hochbetagte Nachbarin im Treppenhaus überholte, platzte mir der Kragen – und bald darauf die Fruchtblase. Eigentlich bin ich gesegnet: drei unkomplizierte Schwangerschaften, drei unkomplizierte Kinder. Und der erste Punkt ist wirklich nicht gelogen. Wenigstens bin ich jetzt eine beseelte Mutter und überstrahle die Berliner Herbstsonne bei weitem.
Erschienen in der LIEWO am 18.9.2019