Mächtig trächtig

Schwanger sein ist das ultimative Glück, wird einem oft suggeriert. Ich war allerdings nie eine dieser Schwangeren, die sich mit ihren Händen beseelt über den Bauch streicheln und dabei so strahlen, dass die Sonne Minderwertigkeitskomplexe bekommt. Die meiste Zeit war ich damit beschäftigt, meinen Mageninhalt zu kontrollieren – meist erfolglos. Die Gerüche dieser Stadt machten mich fertig. Wenn ich einen Dönerimbiss passierte – also so gut wie immer – musste ich die Luft anhalten. Zu mir hat auch nie jemand gesagt: du bist so schön! Das lag vielleicht daran, dass ich es nicht war.

Zum Glück gab es aber in meinen drei Schwangerschaften aber auch Zeiten, in denen ich mich gut gefühlt habe. Das war meistens am Nachmittag des letzten Tages der Woche 29 der Fall. Doch dann kam Woche 30 und somit der Endspurt. Ich sah aus wie eine schottische Mutterkuh, die zu viel Gras gefressen hat. Wenn ich mal auf dem Sofa sass, brauchte es einen Hausbrand, um mich zum Aufstehen zu bringen. Zudem hatte ich bei jedem Niesen das Gefühl, zu gebären. 

Als mich eines Tages die hochbetagte Nachbarin im Treppenhaus überholte, platzte mir der Kragen – und bald darauf die Fruchtblase. Eigentlich bin ich gesegnet: drei unkomplizierte Schwangerschaften, drei unkomplizierte Kinder. Und der erste Punkt ist wirklich nicht gelogen. Wenigstens bin ich jetzt eine beseelte Mutter und überstrahle die Berliner Herbstsonne bei weitem.

Erschienen in der LIEWO am 18.9.2019

Der Jahrhundertsommer des Jahres

„…mit Sonnenschein von Juli bis September“ trällerte einst Rudi Carell angestrengt lächelnd in die Kamera. Wie ihm, gehts vielen. Wir wollen in der Sonne liegen, bis wir gegrillt sind oder aussehen wie Costa Cordalis. Besonders, nachdem der letzte Sommer so schlecht war. Es regnete zwar nur einmal, allerdings gleich neun Wochen am Stück. Somit dürfte der Berliner Hitzesommer 2018 eigentlich unseren Ansprüchen gerecht werden. Und doch flehen alle um den Gnadenschuss.

Wir haben es aber auch nicht leicht. Berlin wurde diesen Sommer von der Hitze erobert wie zuletzt von der Roten Armee. Die Freibäder sind so überfüllt, dass du das Wasserbecken nur erahnen kannst und die Toiletten aussehen wie am letzten Tag eines Festivals. Der beste Zufluchtsort mit Kindern sind Planschen oder Wasserspielplätze. Und wenn selbst ich mich in die fragwürdige Brühe des mit hoher Ingenieurskunst gestauten Bächlein stelle, heisst das was. Doch nicht nur wir, auch die Tiere leiden. Mit Ausnahme der vielen Fliegen, die sich in meinem Mineralwasser abkühlen. Das sind für gewöhnlich alle, die nicht aufm Weg dahin an einem verschwitzten Menschen kleben blieben. Für uns Menschen ist die beste Abhilfe gegen Schweiss und festklebende Fliegen natürlich eine Dusche. Warst du eben noch platt und schlecht gelaunt, bist du danach platt, schlecht gelaunt und duftest nach Mandelblüte. 

In Liechtenstein sind die Sommer etwas angenehmer, da man dort mehr Möglichkeiten hat, sich abzukühlen. Man springt in einen See, geht ins Malbun oder verweilt für ein paar Tage vor der Kühltheke im Migros. Und früher oder später kommt das Sommergewitter, in Liechtenstein wie in Berlin, auch wenn die Abkühlung meist nur wenige Stunden anhält. Wer sich vom Blitz eine einfangen will um sich vor der nächsten Hitzewelle zu drücken, macht beim Gewitter am besten Stabhochsprung oder lässt einen Drachen steigen. Bleibt der nächste Donner aus, wurden sie getroffen. Aber durchhalten lohnt sich, denn irgendwann geht auch der heisseste Sommer zu Ende. Das wissen auch die Fliegen. Und wenn sie nicht gestorben sind, dann kleben sie noch heute. 

Erschienen am 4.9.2018 in der LIEWO