Bewurstete Banküberfälle

Der Volksmund hat viele Theorien zum Prenzlauer Berg und den dort ansässigen Müttern. Sie bringen ihre Kinder zum Tamburin-Kurs, bekommen bei der Mülltrennung einen Orgasmus und sind besessen von Bio. Auf mich trifft das nur teilweise zu. Meine Kinder kennen nicht den Unterschied zwischen Tamburin und Trampolin, die Mülltrennung beglückt mich nur minimal und wenn ich weiss, dass das Huhn, das mein Frühstücksei gelegt hat, glücklich ist, kann ich aufs Bio-Siegel verzichten. Ich bin also gemässigt in meiner Prenzlbergigkeit.

Erlebt habe ich aber schon so einiges. Hier haben die Leute grosse Angst vor konventionellem Fleisch. Du könntest eine Bank mit einer herkömmlichen Bockwurst überfallen. Das Fleisch hier kommt vom regionalen Bio-Bauern und nicht vom polnischen Massentierhaltungsbetrieb. Zurück zu den Wurzeln ist das Motto und das ist, keine Frage, eine gute Sache. Doch hat der Anspruch an ökologisches Verhalten nicht irgendwo seine Grenzen? Als neulich ein etwa achtjähriger Junge seine Mutter nach etwas zu trinken fragte, gab sie ihm keine Apfelschorle, sondern zog ihre Bluse hoch um ihn an ihrem Nippel saugen zu lassen, als wärs ein Calippo-Eis. Es war wie ein Unfall, ich wollte nicht hinsehen, konnte aber auch nicht wegsehen. Zum Glück erlebe ich sowas nicht jeden Tag.

Was ich aber jeden Tag erlebe, sind kleine Babies, die Horst-Heinrich, Agathe oder Eugen heissen. Das tut weh. Wenn ich an einen Eugen denke, dann ist das ein Uropa, hat graue Haare und genügend Haut, um daraus ein XXL-Tragetuch für Baby Eugen zu fertigen. Aber ich denke, wir werden uns an den Namen gewöhnen, denn als Uropa Eugen geboren wurde, haben sich die Leute vielleicht genauso über den Namen gewundert, bis sie ihn gut fanden. In Prenzlauer Berg wird eben nicht nur Müll peinlich genau recycelt, sondern auch die Baby-Namen.

Erschienen in der LIEWO am 18.4.2018