Im Juni 2012 war meine Tochter noch nicht geboren und etwa so gross wie ein unbehandeltes Buchweizenkorn kurz bevor es keimt. Zu dieser Zeit sollte auch der Flughafen Berlin-Brandenburg (BER) – mit bereits zwei Jahren Verspätung – eröffnet werden. Nächsten Sommer wird meine Tochter eingeschult. Der BER wird bis dann aber immer noch nicht eröffnet sein.
Als deutsche Stadt ist es hip, sich ein Milliardengrab zu leisten. Stuttgart hat Stuttgart 21, Hamburg die Elbphilharmonie und Berlin den Flughafen BER. Alles Grossprojekte „made in Germany“, auch wenn das wohl nicht mehr als Qualitätsmerkmal zu verstehen ist. Ähnlich wie der „Tatort“ oder Horst Seehofer. Das Flughafenprojekt verschlingt absurde Summen und man bekommt das Gefühl, es wäre einfacher, Berlin abzureissen und neben einem funktionierenden Flughafen wieder aufzubauen.
So lange der BER nicht eröffnet, trägt der störanfällige Flughafen Tegel (TXL) die Last. Ich liebe ihn, weil er so nah ist und man mit dem Auto direkt zum Gate fahren kann. Kein Orientierungslauf durch ein endloses Flughafengewirr, bei dem man am Ende in ein Flugzeug nach Nowosibirsk steigt, obwohl man nur die Tante abholen wollte. Zudem ist der TXL alt und renovierungsbedürftig, genau wie Peter Maffay. Aber solange der Lärm machen darf, darf das auch der TXL. Und da wären wir schon beim nächsten Problem: der TXL ist sehr verhasst bei denen, die ein der Einflugschneise leben. Ganz besonders, seit er im Juni 2012 wider aller Erwartungen nicht geschlossen wurde. Es ist auch gemein, wenn der Traum vom Ende des Fluglärmes und der Vibrationen mal so nah war. Keine entscheidenden Filmstellen mehr, die man nicht hört, keine Betten, die am nächsten Morgen in einer anderen Wohnung stehen und endlich wieder Kohlensäure in der Apfelsaftschorle. So ist es verständlich, wenn die Anwohner auf die Schliessung von TXL bestehen und erst Ruhe geben, wenn sie welche haben.
Und doch fordern einige, TXL dauerhaft weiter zu betreiben. Aber da man in Berlin nicht mal eine Butterstulle kaufen kann, ohne irgendwelche Gegenstimmen, darf man das nicht überbewerten. Ich persönlich finde, dass ein Flughafen nicht in die Stadt gehört und der BER fertiggestellt werden sollte. Und mit etwas Glück landen wir noch dort, bevor wir auf dem Mars landen.
Erschienen in der LIEWO am 8.8.2018