Verd-amt-nis

Berlins Ämter haben einen schlechten Ruf, und das zurecht. Wenn man seinen Amtsbesuch nicht Monate vorher erahnt hat, trifft einen das Schicksal besonders hart: man muss aufs Amt. Ohne Termin. Das passiert oft, da in Deutschland jede Angelegenheit, die öffentlicher ist als ein Toilettengang, einen Amtsbesuch erfordert. Am besten packt man einen grossen Rucksack voll mit Proviant, Wechselwäsche und Fotos seiner Liebsten und geht früh hin. Sehr früh.

Letzten Dienstag war es mal wieder so weit. Der Tag hat gut angefangen, bis mein Wecker um 5 Uhr klingelte. Um 6.30 Uhr wollte ich vor dem Eingang des Rathauses stehen, obwohl das Amt erst um 8 Uhr öffnet. Das gelang mir auch, allerdings war ich nicht alleine: 23 andere Schlafleichen hatten die gleiche Idee. Um Punkt 8 Uhr betraten wir alle das Wartezimmer und jeder zog, nach deutscher Sitte, eine Nummer. Auf diese kurze Aufregung folgten viele, nicht enden wollende Stunden. Sechs Narcos-Folgen und drei King-Size-Snickers später erschien endlich meine Nummer auf der Anzeigetafel. Mir blieb keine Zeit um nachzugucken, ob mein Po die Form des Plastikstuhles oder der Plastikstuhl die Form meines Pos angenommen hat, denn die Zeit drängt auf Berliner Ämtern. Auch wenn nur für die Kunden. 

Ich ging durch einen langen Flur, spärlich dekoriert mit ein paar knusprigen Pflanzen, und klopfte an die Tür. Ich vernahm ein genervtes „Ja“, betrat ängstlich den Raum und setzte mich auf den Stuhl gegenüber der Sachbearbeiterin, die auch als Türsteherin im Berghain hätte arbeiten können. Eine nüchterne Aura umgab sie, ihre Seele hat wahrscheinlich schon längst das Weite gesucht. Genauso ihre Motivation. Die nächsten Minuten vergingen wortlos. Sie bearbeitete meinen Antrag und ich setzte hier und da meine Unterschrift drunter. Womöglich habe ich dadurch meine Organe verkauft – egal, Hauptsache es ging voran. Am Ende händigte sie mir mit verächtlichem Blick das ersehnte Dokument aus. Sie hat mich in diesen Minuten nicht in ihr Herz geschlossen. Ich bedankte mich ohne den Versuch, ihr noch ein Lächeln abzugewinnen. Sie winkte zum Abschied – oder vielleicht winkte sie mich auch raus, das konnte ich nicht genau einordnen. Wahrscheinlich werden wir uns nie wieder sehn. Oh Gott, ich hoffe es.

Erschienen in der LIEWO am 18.3.2020

Weltfrauentag

Heute ist Weltfrauentag. Das wird auch im Fürsten- und Fürstinnentum Liechtenstein gefeiert – denn das „G“ in Liechtenstein steht für „Gleichberechtigung“. Aber ein paar alte, weisse Männer fürchten sich vor einer Matriarchalisierung des Abendlandes. Dabei müssen sich die Herren nicht aufregen, denn vom 9. Bis zum 7. März sind wieder Weltmännertage.

Erschienen in der LIEWO am 8.3.2020