Suche Parkbank in zentraler Lage

„Tolle Wohnung, Herr Schneider. Hier sind meine Unterlagen, mit Nacktfoto. Und diese Muffins hab ich für sie gebacken… gibt es eigentlich auch eine Frau Schneider?“ Auf Berlins Mietmarkt hat fast jeder mal mitgekämpft, mich eingeschlossen. 

Meine erste Bleibe in Berlin, ein WG-Zimmer, hab ich mir online besorgt. Da es ohne persönliches Gespräch schwierig ist, ein Zimmer zu bekommen, bewarb ich mich in meiner Not auf alles, was vier Wände hatte. Irgendwann meldete sich Christian, ein Psychologie-Student und echter Berliner, der mehr aussah wie Sigmar Gabriel, als Sigmar Gabriel selbst. Nach einem Video-Chat war er mir zwar nicht besonders sympathisch, aber ich hielt ihn für harmlos – das sollte fürs Erste reichen. Wir würden ja nur Bad und Küche teilen, nicht unser Leben. Bevor es euch zerreisst vor Spannung: Christian hat mich nicht zerstückelt und vergraben. Er war wirklich harmlos. Allerdings dachte er tatsächlich, dass wir mehr teilen als nur Bad und Küche. So entschied ich, mich nach was neuem umzusehen. 

Meine darauffolgende Wohnungssuche erfolgte also aus einer gewissen Not, was schnell zu Fehlgriffen führen kann. Clevere Zeitgenossen schlagen daraus gerne Kapital – so hat beispielsweise einer ein Zelt auf seinem Balkon aufgestellt, das man für 150 €/monatlich mieten konnte. Da bin ich zum Glück nicht gelandet, aber trotzdem habe ich meine Ansprüche zurückgeschraubt und mir angekuckt, was ich mir leisten konnte. „Was kostet die Welt? Achso, dann nehm ich eine kleine Cola!“ 

Günstige Unterkünfte haben immer einen Haken. Manche sind offensichtlich, wie die Abwesenheit von Fenstern oder die Leichenumrisse des Vormieters. Andere erschliessen sich dir erst beim Einzug. Zum Beispiel, wenn dein Nachbar halb Berlin mit Koks versorgt oder wenn dein Vormieter beim Auszug – und in den Jahren davor – vergessen hat, zu putzen. Aber für vieles gibt es eine Lösung. Zugegeben, den Drogenring konnte ich nicht zerschlagen. Das Zimmer unterzog ich aber einem mehrstündigen Putzmarathon. Danach hatte ich zwar keine Nasenschleimhaut mehr, aber die Bude war sauber und ich war glücklich. Nun hatte ich nicht nur vier Wände, sondern auch einen Boden, eine Decke und ein Gänseblümchen. Das reicht für zurückgeschraubte Ansprüche.

Erschienen in der LIEWO am 2.11.2018

Pretty human

Als Frau hat man sich nach Romantik zu sehnen. Ich allerdings hab dafür nicht viel übrig. Blumen verwelken und fangen an zu stinken, Kerzen fackeln deine Bude ab, Sonnenuntergänge verursachen Wildunfälle und Ehen enden immer wieder mit Auftragsmord. Ich verstehe aber, dass Romantik für viele eine Bereicherung im Alltag ist. So wie Käsehäppchen oder ein schlüpfriger Witz, beides Dinge, die auch ich befürworte.

Berlin ist keine besonders romantische Stadt. Hier geht man nicht zum Candle-Light-Diner, sondern zum Candle-Light-Döner, Kerzen brennen nur bei Stromausfall und wenn mein Mann für mich das Wasser einlässt, dann im Spülbecken. Er hat sich bereits gut auf mich eingestellt. Wenn er mir eine Freude machen will, lässt er mich ausschlafen oder bringt den Müll raus. Der Abend, an dem er versucht hat „bed of roses“ zu rülpsen, war der romantische Höhepunkt in unserer Beziehung. Alles weitere überlassen wir den Pullunderträgern in den Rosamunde Pichler Filmen.

Berlin hat aber auch seine Momente. Es ist toll, sich in warmen Sommernächten aus dem stickigen Häusergewirr auf ein Dach zu retten und von dort aus den Sonnenaufgang anzusehen. Nicht nur, weil es illegal ist. Von dort oben sieht man ganz viel Himmel, mitten in Bild den Fernsehturm und aus der Ferne kommen die Flugzeuge angeflogen. Jetzt muss man nur noch die Betrunkenen, die mit ihren Bierflaschen die Vögel vom Dach wegballern, ausblenden, dann hat man es: echte Berliner Romantik. 

Erschienen in der LIEWO am 2.11.2018

Läuft bei mir

Manche Dinge lernt man erst zu schätzen, wenn sie nicht mehr da sind. Seit ich in Berlin lebe, ist mir bewusst, wie unkompliziert die Fortbewegung in Liechtenstein für mich war. Wenn draussen ein wilder Sturm fegte, war mein Auto in der Garage bequem und trocken zu erreichen. Das war fantastisch. Doch es hatte eine Schattenseite: auch wenn der wilde Sturm nur ein sanftes Nieseln war, nahm ich das Auto. Ich bin stets der Bequemlichkeit erlegen. Wer fauler war als ich, war tot. Wenigstens schleppte ich mich regelmässig ins Fitnesscenter – alle zwei Jahre. Mit dem Auto.

In Berlin ist dieses Ausmass an Trägheit leider nicht möglich, denn hier bin ich ständig gezwungen, mich zu bewegen. Hab ich einen guten Parkplatz für mein Auto gefunden, rühr ich es mehrere Jahre nicht an. Das hat zur Folge, dass ich zu Fuss geh oder mit dem Fahrrad fahr. 

Ich habe ausgerechnet, dass ich durchschnittlich 60 Minuten am Tag unterwegs bin und beschlossen, dass mich das auf ewig vom Sport befreit. Das sehen meine Töchter allerdings anders. Sie haben besonders hohe Ansprüche an meine körperliche Fitness. Wenn ich sie im Fahrradanhänger durch die Stadt kutschiere, feuern sie mich an, als wär ich ein Rennpferd, auf das sie ihr Sparschwein gesetzt haben. Kein Personal Trainer könnte mich stärker motivieren.

Beim Sprint zur Bushaltestelle fehlt mir diese Motivationsspritze – schon oft sind mir Bus und Bahn vor der Nase weggefahren. Das wäre mir in Liechtenstein nie passiert, dort bin ich mit dem Auto zur Bushaltestelle gefahren.

Erschienen in der LIEWO am 2.11.2018