Covida Loca

Zuhause verbarrikadieren und soziale Kontakte meiden für mindestens vier Wochen. So sah für mich ein perfekter Monat aus, als ich 13 war. Allerdings bin ich inzwischen 38 und weiss, dass es lange Wochen werden können. Mit einer Siebenjährigen, die zu Hause unterrichtet werden muss – aber nicht will. Einer Fünfjährigen, die zu Hause unterrichtet werden will – aber nicht muss. Einem Baby, das nicht weiss, was Unterricht ist. Und einen Mann im Home-Office mit Neigung zum Ganztagspyjama. Hier ein paar Mitschnitte:

Tag 1:

„Mama, wieviele Hamster kaufen wir?“

Tag 3:

„Verrückt, Hefe ist in ganz Deutschland ausverkauft.“

Tag 5:

„Kinder, Deutschland steht vor der grössten Herausforderung seit dem 2. Weltkrieg: eine Klopapierknappheit. Ab jetzt gilt: Maximal 5 Blatt pro Klogang“

Tag 8:

„Mama, warum sind Nudeln in meinem Kleiderschrank?“

Tag 11:

„Mama, brauchen Prinzessinnen auch Klopapier?“

Tag 13:

„Was dein Friseur kann, kann ich schon lange. Gib her, die Heckenschere.“

Tag 15:

„Kinder, ich hab gehört, in einem Supermarkt in Tauberbischofsheim Ost gibts kein Klopapier mehr. Das macht mich nervös. Bitte nehmt nur noch 2 Blatt pro Klogang.“

Tag 18:

„Grosser Glückstag: Einen Hefewürfel ergattert.“

Tag 19:

„Mama, darf der Osterhase kommen, obwohl Corona ist?“

Tag 21:

„Um Gottes Willen, hast du die Klopapierrolle ins Klo geworfen? Hättest du nicht meinen Geldbeutel reinschmeissen können?“

Tag 22::

„Nein Kinder, die Dinosaurier sind nicht wegen Corona ausgestorben.“

Tag 24:

„Kinder, wir haben kein Klopapier mehr. Entscheidet selbst, wie sehr ihr an eurem samtweichen Angorakaninchen hängt.“

Tag 25:

„Ja, in die Armbeugen rülpsen ist auch gut.“

Tag 27:

„Was macht man eigentlich mit Hefe?“

Tag 28:

„Heute gelesen: Der Toilettenpapierabsatz ist eingebrochen. Ist vielleicht der Absatz für Angorakaninchen gestiegen?“

Erschienen in der LIEWO am 14.4.2020

Küssen verboten

Ich erinnere mich, als wäre es Gestern gewesen. Katrin umarmte mich innig zum Abschied, obwohl wir uns erst flüchtig kannten. Ich war baff. In Liechtenstein umarmte man sich nur, wenn man sonst erfriert, beim Ringkampf oder – wenns unbedingt sein muss – beim Koitus. Zur Begrüssung und zum Abschied gibt man sich dort bestenfalls drei Küsschen. 

Ich war nie ein Fan von diesen Küsschen. Sie sind prätentiös und immer wieder entstehen dabei peinliche Situationen. Besonders, wenn einer zwei Küsschen, der andere aber drei Küsschen geben will und am Schluss recht dämlich ins Leere schmatzt. Ja, es kann sogar blutig enden: wenn beide auf der selben Seite anfangen wollen und die Köpfe gegeneinanderschlagen.

In Deutschland küsst man sich nicht – man umarmt sich. Männer klopfen sich dabei gerne kräftig mit der flachen Hand auf den Rücken, wie man es sonst bei einem Vollblüter macht. Frauen drücken sich innig und seufzen dabei, als würden sie ein flauschiges Hundebaby knuddeln. Ich mag Umarmungen lieber als Küsschen. Sie sind authentischer, zwangloser und könnten uns vor manch einem Serienkiller bewahren, dem nur ein bisschen körperliche Nähe gefehlt hat.

Doch es gibt eine Schattenseite – denn nicht nur Freunde umarmen sich. Mein Nachbar, der immer nach Zigaretten und Schweiss riecht und mich Püppi nennt, will mich immer umarmen. Ich ihn nicht. Inzwischen habe ich schon viele Auswege parat, falls ich ihm wieder begegnen sollte. Entweder ich trage ein Kind (deswegen habe ich zur Sicherheit gleich drei davon bekommen), habe mich zum 273. mal mit Corona infiziert oder hacke mir die Arme ab. Somit können auch Umarmungen blutig enden.

Erschienen in der LIEWO am 13.4.2020