Weihnachten? Geh ich nicht hin

Während meiner Kindheit war die Adventszeit die schönste Zeit des Jahres. Ich hörte Weihnachtslieder, bis mir die Ohren bluteten, ass mehr Kekse als meine Oma backen konnte und bestaunte am Weihnachtsabend unsere Nordmanntanne, die sich unter einem Berg aus Lametta nur erahnen liess. Alles war magisch, auch wenn der Nikolaus – der mich an einen Freund meiner Eltern erinnerte – nach seinem Besuch mit heruntergezogenem Bart ein Bier trank.

Doch ich wurde älter und zynischer. In meinen 20ern habe ich all die einst so geliebten Weihnachtsbräuche höchstens noch geduldet. Inzwischen wusste ich: der Nikolaus ist nicht echt. Vielleicht nicht mal das Christkind. All die Magie von früher liess mich unbeeindruckt. Die Dekoration in meiner Wohnung reduzierte ich auf einen CocaCola-Plastiknikolaus, der mit seiner Rute eine schlüpfrige Geste machte. Nur der materielle Gegenwert meiner Weihnachtsgeschenke bescherte mir kurzzeitig gute Stimmung. Ansonsten hing ich lustlos rum wie Jesus am Kreuz. 

Mit Anfang dreissig wollte ich dem Weihnachts-Irrsinn endgültig den Rücken kehren, doch dann wurde ich Mama – mit allen Nebenwirkungen. Ich entwickelte eine mir bisher fremde Vorliebe für Weihnachtsschmuck und bekam einen solchen Back-Fimmel, dass ich damit alle Berliner Weihnachtsmärkte hätte versorgen können. Ich schien meine Weihnachtsabstinenz der letzten Jahre zu kompensieren. Wahrscheinlich ist das normal, wenn man Kinder hat. Ich seh, wie sie Weihnachten erleben, genau wie ich damals. Ich habe also nur die Seite gewechselt, aber da ists auch ganz schön. Und wenn ich bis zum Abend genug Weihnachtskekse gegessen hab, schlaf ich in himmlischer Ruh.

Erschienen in der LIEWO am 11.12.2018