A little less conversation

„Den wirst du mögen“ sagte mein Mann, nachdem er angekündigt hat, dass Abends ein neuer Kollege bei uns vorbei kommt. Meistens hat er damit recht. Leute, die er mag, mag ich auch. Diesmal sollten wir aber unterschiedliche Ansichten haben – ungefähr so wie Galileo und der Papst.

Einige Stunden später war es soweit. Ich lernte Michael kennen. Doch schon nach wenigen Sätzen merkte ich, dass da was nicht passte. Er schaute zwar zu mir, doch leider nicht in meine Augen, sondern überall sonst hin. Wenn ich mich am Gespräch beteiligen wollte, wurde ich überhört. Kurz fragte ich mich, ob meine Beiträge zum Thema vielleicht nicht relevant waren – doch Michael sagte auch keine klügeren Dinge. Er war so schlau wie ein Zwetschgenknödel und langsam bekam ich den Eindruck, dass er sich mindestens einmal das Wattestäbchen zu tief ins Ohr gesteckt hat. Dennoch hielt er es offensichtlich für angebracht, mir ständig ins Wort zu fallen um mir beziehungsweise meinen Brüsten die Welt zu erklären. Wenn mein Mann etwas sagte, war die Situation allerdings eine andere: Michael hing an seinen Lippen, wie es sonst nur Brotkrümel nach dem Frühstück tun.

Mir ist bewusst, dass es Themen gibt, zu denen ich als Frau nicht viel beitragen kann. Erektionsstörungen, Prostatabeschwerden oder ein Männerschnupfen sind Leiden, die ich nie durchmachen werde. Dennoch bekam ich das Gefühl, dass das hier nicht das Problem war. Schliesslich redeten wir über Politik. Viel mehr hatte ich den Eindruck, dass dieser Michael auch noch voller Ratschläge wäre, wenn es um Themen ginge wie Geburtswehen, Menstruationsbeschwerden oder – ja klar: Sexismus. Da fiel es mir wie Schuppen von meinen doch sonst so blinden Frauenaugen: Michael ist ein mansplainer. Er erklärt uns Frauen die Welt. Ob wir wollen, oder nicht. Und wir wollen nicht. Eine Sache fand ich an Michael aber gut: sein Abschied.

Erschienen in der LIEWO am 15.7.2021