Weapons of mass distraction

Offiziell verboten war es nie, und doch machte es Probleme: Oben-ohne-Baden. Vor einigen Wochen wurde eine Frau aus einem Berliner Hallenbad verwiesen, weil sie ihre Törtchen an die Luft liess. Dagegen hat sie mitsamt ihren zwei handfesten Argumenten erfolgreich geklagt. Die Berliner Bäderbetriebe haben daraufhin klargestellt, dass das Schwimmen „oben ohne“ für alle gleichermaßen erlaubt sei. Egal ob weiblich, männlich, nicht-binär oder Caitlyn Jenner.

Die Reaktionen überraschen nicht: neben vielen neutralen Stimmen befürworten 46% der Männer das Oben-ohne-Baden, aber nur 28% der Frauen. Doch was ist deren Sorge?

Klar, weibliche Brüste sind sekundäre Geschlechtsmerkmale. Wenn Männer einen Busen sehen, fallen sie für gewöhnlich in Trance, beginnen zu sabbern und laufen zielgerichtet darauf zu. Kein Busen ist so flach wie das Niveau mancher Männer. Aber ist es deswegen die Pflicht von uns Frauen, das offensichtlich schwache Geschlecht vor seinen Trieben zu schützen – so wie es viele mit ihren Burkas machen müssen? 

Busen sind doch entgegen vielen Behauptungen der Beweis, dass sich Männer auf zwei Dinge gleichzeitig konzentrieren können. Ich gehe einen Schritt weiter und behaupte, dass sie sich sogar auf drei Dinge gleichzeitig konzentrieren können: links gucken, rechts gucken, aber nicht anfassen.

Etwas weniger Prüderie macht die Welt zu einem entspannteren Ort. Wieviel besser wäre Baywatch gewesen, wenn neben David Hasselhoff auch Pamela Anderson topless für mehr Sicherheit an Badestränden gekämpft hätte? Wäre bei Nipplegate nicht Janet Jacksons Busen, sondern Justin Timberlakes übergriffiges Verhalten der Skandal gewesen? Und könnten sich die verklemmten Amis verkneifen, Brüste auf Picasso-Gemälden zu zensieren?

Auch wenn ich selbst mein Verdeck geschlossen halte, finde ich, Frauen sollten ihre Brüste genauso zeigen dürfen, wie Männer. Das Aussehen ist dabei egal. Wenn man sich seine Oschies über die Schultern schmeissen oder damit ein Schnitzel klopfen kann, finden die meisten Männer das nicht mehr sehenswert. Aber mal ehrlich: Männerbusen haben noch nie gute Zeiten erlebt, und die müssen wir Frauen uns seit jeher ansehen. 

Erschienen in der LIEWO am 23.4.2023

Daheimat

„Ist die Wohnung gut gelegen, in der Nähe vom Brandenburger Tor?“ wurde ich zu Hause gefragt, nachdem ich nach Berlin gezogen bin. Zum Glück lag meine Wohnung ganz woanders, denn am Brandenburger Tor will keiner wohnen. Dort trifft man nur Touristen und Touristenabzocker, während sich die Berliner nicht wirklich dafür interessieren. Natürlich fahr ich trotzdem regelmässig hin. Alle zehn Jahre.

So wie beim Brandenburger Tor ist es bei vielen Sehenswürdigkeiten. Wären sie nicht solche Touristenmagnete, würde es einige von ihnen vielleicht gar nicht mehr geben. Die Franzosen hätten den Eiffelturm längst in einen Strommasten umfunktioniert. Die Italiener hätten die Decke der Sixtinischen Kapelle in den Vereinsfarben von Lazio Rom überstrichen. Und die Liechtensteiner hätten das Schloss in ein Luxus-Casino umgebaut. Mir wäre es früher jedenfalls egal gewesen.

Und jetzt? Meine Güte – bin ich froh, dass es Touristen gibt. Sie reisen extra an und bewundern das Schloss, auch wenn sie manchmal nicht merken, dass sie es mit Burg Gutenberg verwechseln. 

Auch ich stand neulich inmitten vieler Touristen und fotografierte das (richtige) Schloss, weil das Sonnenlicht so schön darauf fiel. Und da drängte sich mir die Frage auf: Bin ich in Liechtenstein inzwischen mehr Touristin als Einheimische? Wäre ich früher auch auf die Idee gekommen, das Schloss zu fotografieren? Wahrscheinlich nicht. Doch solange ich nicht mit einer Reisegruppe im Citytrain durch Vaduz fahre, ist alles in Ordnung.

Erschienen in der LIEWO am 16.12.2022

Frust & Frost

„Kommse rin, könnse rauskieken!“ stand an der Eingangstüre des Cafés, in dem ich quasi zum Inventar gehörte. Es war mein Lieblingscafé, denn es hatte eine Heizung. Keine Selbstverständlichkeit in Berlin. 

Mein erster Winter hier im Jahr 2010 war der Kälteste seit 40 Jahren – als wollte mich die Stadt wieder abstossen. Ich bewohnte eine Altbauwohnung mit einem taschenbuchgrossen Heizkörper, der für die 30 m2 reichen musste. Wenn mir zu kalt wurde, kuschelte ich mich an meine Stubenfliege. Aber ich hatte Freunde, denen es noch schlechter ging.

Julia hatte bloss einen Kamin, den sie immer erstmal anfeuern musste. Nach einer Stunde wurde ihr warm, nach drei Stunden war sie medium gegart und nach acht Stunden wurde ihr wieder kalt. Ideale Bedingungen für einen Schnupfen oder eine Kohlenmonoxidvergiftung. Zum Glück konnte sie sich auf die schlecht isolierten Fenster verlassen, dank denen immer frische Luft in der Wohnung war. Sehr frische Luft.

Noch ungemütlicher war es bei Helena, die nicht mal einen Kamin hatte. Sie sass am liebsten in der Küche, bei aufgeheiztem und offenem Backofen und einer genervten Mitbewohnerin, die statt Helena lieber eine Pizza aufgetaut hätte.

Mein bevorzugtes Fortbewegungsmittel bei Frost waren die öffentlichen Verkehrsmittel. Allerdings nur, wenn diese auf den jedes Jahr unvorhersehbaren Wintereinbruch vorbereitet waren und nicht eine einzelne Schneeflocke das ganze Gleissystem lahmgelegt hat. In diesem Fall konnte ich nur noch auf mein Fahrrad ausweichen, sofern es nicht festgefroren war. Mit etwas Glück konnte ich hinter einem LKW herfahren und mich an dessen Abgasen wärmen. 

Wer den Berliner Winter auf angenehme Art überstehen will, sollte sich wie ein Bär Fett anfuttern und den ganzen Winter schlafen. Nach ein paar Monaten wacht man mit einer Bikinifigur auf und das Beste: der Winter ist vorbei.

Erschienen in der LIEWO am 26.2.2023