Jede Beziehung hat Wünsche, die unerfüllt bleiben. Mein Mann hat mich schon oft gebeten, Dialekt mit ihm zu sprechen, aber es will mir einfach nicht gelingen. Er fühlt sich also chronisch ausgeschlossen. Sehe ich das Gesicht eines Menschen, der schriftdeutsch spricht, spreche auch ich schriftdeutsch. Die einzige Ausnahme sind meine Kinder. Mit ihnen spreche ich konsequent Dialekt. Sie mit mir konsequent nicht. Meine Ohren bluten, wenn die Grosse sagt „Ich geh pullern, wa?“ Ihr deutsch klingt, als würde sie zu oft mit den harten Jungs abhängen.
Ansonsten muss ich aber in Berlin über meine Aussprache nicht nachdenken. Hier spreche ich mit allen Hochdeutsch. Viele denken jedoch, das sei bereits mein Dialekt. Wie frustrierend. Auch nach vielen Jahren klappt es leider noch nicht so gut mit dem Schriftdeutsch. Noch heute wünschen mir Taxifahrer ein „Schönes Wochenende in Berlin“ weil sie alle denken, dass ich gleich wieder auf die Alp fahre um meine Kühe zu melken.
Ganz in der Nähe dieser Kühe habe ich einige Zeit verbracht, während meines Studiums in Dornbirn. Diese Zeit war sehr spannend. Im Vierländereck sind alle Nuancen der deutschen Sprache vertreten. Ein Traum für jeden Sprachwissenschaftler, ein Alptraum für mich. Es gab Kommilitonen, bei denen konnte ich mich nie entscheiden, ob ich Schriftdeutsch oder Dialekt sprechen soll. Jeder ausgesprochene Satz hat sie überrascht und mich ebenfalls. Und wenn ich etwas Wodka getrunken habe, kann ich sogar mit russischem Akzent rülpsen. Doch danach hat mich mein Mann noch nie gebeten.
Erschienen in der LIEWO am 20.3.2018