Eine Dialektüre

Jede Beziehung hat Wünsche, die unerfüllt bleiben. Mein Mann hat mich schon oft gebeten, Dialekt mit ihm zu sprechen, aber es will mir einfach nicht gelingen. Er fühlt sich also chronisch ausgeschlossen. Sehe ich das Gesicht eines Menschen, der schriftdeutsch spricht, spreche auch ich schriftdeutsch. Die einzige Ausnahme sind meine Kinder. Mit ihnen spreche ich konsequent Dialekt. Sie mit mir konsequent nicht. Meine Ohren bluten, wenn die Grosse sagt „Ich geh pullern, wa?“ Ihr deutsch klingt, als würde sie zu oft mit den harten Jungs abhängen. 

Ansonsten muss ich aber in Berlin über meine Aussprache nicht nachdenken. Hier spreche ich mit allen Hochdeutsch. Viele denken jedoch, das sei bereits mein Dialekt. Wie frustrierend. Auch nach vielen Jahren klappt es leider noch nicht so gut mit dem Schriftdeutsch. Noch heute wünschen mir Taxifahrer ein „Schönes Wochenende in Berlin“ weil sie alle denken, dass ich gleich wieder auf die Alp fahre um meine Kühe zu melken. 

Ganz in der Nähe dieser Kühe habe ich einige Zeit verbracht, während meines Studiums in Dornbirn. Diese Zeit war sehr spannend. Im Vierländereck sind alle Nuancen der deutschen Sprache vertreten. Ein Traum für jeden Sprachwissenschaftler, ein Alptraum für mich. Es gab Kommilitonen, bei denen konnte ich mich nie entscheiden, ob ich Schriftdeutsch oder Dialekt sprechen soll. Jeder ausgesprochene Satz hat sie überrascht und mich ebenfalls. Und wenn ich etwas Wodka getrunken habe, kann ich sogar mit russischem Akzent rülpsen. Doch danach hat mich mein Mann noch nie gebeten.

Erschienen in der LIEWO am 20.3.2018

Donnerstag ist Dönerstag

In der Berichterstattung aus Berlin liest man oft von Merkel, Schäuble, Schulz und Bushido. Meine Person ist bisher untergegangen. Ich bin Carola, wurde 1982 auf eigenen Wunsch in Liechtenstein geboren und habe die ersten 25 Jahre meines Lebens dort gelebt. Die letzten elf Jahre nicht. In dieser Zeit war ich mal hier, mal da, und seit acht Jahren lebe ich in Berlin. Mein Job und meine Neugier haben mich damals hierher geführt. Inzwischen bin ich verheiratet und zweifache Mutter. Die Prioritäten haben sich verschoben: weniger Job, mehr Familie, weniger Hermannplatz, mehr Spielplatz, weniger Haarschnitte, mehr Scherenschnitte, weniger Kater, mehr Katze. 

Trotz all dieser Veränderungen haben mein Mann und ich entschieden, in Berlin zu bleiben. Jeden von uns hat es vor vielen Jahren hierher gezogen, hier haben wir uns kennengelernt, hier wurden unsere Kinder geboren, hier ist unser Festnetzanschluss. Werden wir für immer hier bleiben? Wir haben viel diskutiert und entschieden: vielleicht.

In Berlin gibt es 4793 Restaurants, 1021 Bars, 1007 Spätis und gefühlt eine Million Dönerläden, und obwohl ich den Donnerstag einst zum Dönerstag erklärt habe, kann ich das Zeug inzwischen nicht mehr riechen. Liechtenstein ist eine andere Welt. Dort gibt es Kuhglocken, saftige Wiesen, frische Luft, Rösti, pünktliche Menschen, Rinder, die uns die Klimakatastrophe herbeifurzen und Berge, die höher sind als der Kreuzberg mit seinen erbärmlichen 66 m. 

In dieser Kolumne möchte ich die eine Welt der anderen näher bringen; mit ruhmreichen Geschichten aus meinem Alltag und peinlichen Geschichten aus dem Alltag anderer.

Erschienen in der LIEWO am 13.3.2018