Mit Laib und Seele

Mein Mann ist Käsekenner. Wenn er Käse sieht, erkennt er sofort: Käse! So war es kein Zufall, dass wir bei seinem ersten Liechtenstein Besuch Raclette assen. Nicht die Pfännchen, sondern das Original – mit grossem Käselaib, den wir unter einem heissen Stein befestigten. Es war urig, traditionell und geschmolzener Käse – auf sowas steht mein Mann, das war mir klar. Mein nächstes Weihnachtsgeschenk stand deshalb schon früh fest: ein Original-Racletteofen. Doch offensichtlich wusste ich nicht, was ich tat.

Bereits am Tag nach Weihnachten bestellte mein Mann einen Laib Schweizer Raclettekäse, der so gross war, dass wir ihn auf dem Balkon lagern mussten. Der Plan meines Mannes war es, die restlichen Wochenenden diesen Winters Freunde einzuladen und sie in die Herrlichkeit des Original Raclettes einzuweisen. Ich hab nicht viel darüber nachgedacht und befand: geschmolzener Käse ist nie falsch.

Damals wusste ich nicht, dass auch noch viele Tage nach dem Raclettegenuss eine zähe Käsewolke in unserer Wohnung und sogar im Treppenhaus hängen wird. Doch glücklicherweise gab es im Mietvertrag keine Klausel zum Käseverbot. Sobald sich die Wolke einigermassen verflüchtigt hat, stand schon der nächste Racletteabend mitsamt seinen Gästen vor der Tür. Käse war für diesen Winter unsere Religion und so haben wir Wochenende für Wochenende dem Raclettegenuss gefrönt. Ich hielt tapfer durch, schliesslich wächst der Magen mit seinen Aufgaben.

Doch zum Ende diesen Winters stand ich kurz vor der Racletteintoleranz. Für mich war Käse nur noch ein stinkendes Milcherzeugnis. Für meinen Mann war er immer noch ein wunderbares, stinkendes Milcherzeugnis. Manchmal hatte ich das Gefühl, dass er mich in einem schwachen Moment mit Käse überbacken könnte. Doch irgendwann war der Raclettelaib aufgebraucht und es wurde Sommer. Eis am Stil schmeckt besser als Käse am Stil, befand auch mein Mann und kam zur Vernunft. Schön, dass nicht nur Käse reift.

Erschienen in der LIEWO am 26.2.2019

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